Wenn
man sich einmal einen Menschen erarbeitet hat – nein, stimmt nicht – wenn man
einmal in der Liebeslotterie gewonnen hat und dann überlegt, was man mit seinem
Treffer denn anstellen soll (Sie wissen ja, es ist mit der Liebe so wie mit
einem großen Lottogewinn: schön und belastend zugleich), also wenn einem einmal
ein Mensch zugefallen ist, ob nun durch Zufall oder Schicksal bleibt einmal
dahingestellt, mit dem man die Idee eines gemeinsamen Weges teilt, weiter als
bis zur nächsten Bar, dann stellen sich ja erst die wahren Herausforderungen
der Liebe ein. Das ist selbstverständlich landläufig bekannt, das musste uns
Hollywood nicht erst beweisen. Über das Finden, wie über alles, was nicht genau
erklärbar ist, gibt es die schönsten Märchen, über den Zustand danach eher nur
klägliche Überlebensberichte, die eine fremdartige und raue Welt erahnen
lassen. Als Neuankömmling in dieser Welt der "Bepaarten" wird man von
den Alteingesessenen meist einer scharfen Eingangsprüfung unterzogen, die aus
vielen Fragen besteht und einzig das Ziel zu haben scheint, die Ernsthaftigkeit
der Einbürgerungswilligen zu überprüfen.
Es
soll ja einmal eine Zeit gegeben haben, in der Paare, sofern sie es sich
leisten konnten, vor allem eines wollten: einen großen räumlichen Abstand zueinander.
Nicht nur, weil man sich vielleicht mehr arrangierte als liebte. Nein, man
hielt eine höfliche Distanz zum anderen Ich, mit dem man ab und an verschmolz,
aber sonst eben weiterhin vor allem die eigenen Leidenschaften und Marotten
pflegte, die man sich im Laufe seines Lebens herangezüchtet hatte. Nur der
Pöbel musste aufeinander sitzen und die ständige Anwesenheit des anderen
erdulden.
Heute
aber wird bereits im ersten Absatz der Eingangsprüfung über den
Einwanderungsantrag auf Zuzug in die Welt der "Bepaarten" die Frage
nach der gemeinsamen Behausung verhandelt. Ganz ungeachtet der weit
verbreiteten Geschichten von Paaren, die lange Jahre glücklich waren, bis dass
sie eine gemeinsame Wohnung schied, also bis irgendeiner von beiden auf die
Idee kam, gemeinsam vier Wände zu beziehen. Die Frage scheint gleichsam als
Lackmustest für die Tiefe einer Liebesbeziehung gehandelt zu werden.
Zusammenzug und gemeinsames Möbelstücke Aussuchen ergibt in der Gleichung dann
die Lösung: große Liebe.
Männer
mögen sich am Anfang vielleicht noch denken, dass durch die gemeinsame
Behausung die Sexhäufigkeit zunimmt. Tapfer werden deswegen auch das pink
plüschige oder weiß cleane Einrichtungskonzept, die Stoffteddysammlung, die
Wandtattoos oder die haarende Katze in Kauf genommen. Die Damenwelt seufzt, das
muss wahre Liebe sein, während sie unterm Tisch mit spitzem Bleistift die
Kostenrechnung aufmacht und zum Ergebnis kommt, so eine gemeinsame Wohnung ist
auch sehr viel billiger. Zumindest gefühlt. Außerdem dieses Pendeln zwischen
zwei Orten ist doch auch eine schreckliche Zeitverschwendung, klagt sie, und
freut sich später diese neu gewonnene Zeit mit gemeinsamen Fernsehschauen
sinnvoll zu nutzen.
Wer
liebt, möchte sich entgrenzen, mit dem anderen eins werden. Praktisch
unmöglich, muss diese Sehnsucht dann eben auf Nebenschauplätzen verhandelt
werden. Das gemeinsame Aussuchen der Couch, ein Gefühl von Zusammengehörigkeit.
Das gemeinsame Aufbauen, der Kampf mit der Anleitung und dem Akkuschrauber, das
Arbeiten an der vereinten Zukunft. Später, beim Aufräumen, Putzen, Einkaufen
und Kochen, ist das Gemeinschaftsgefühl dann seltsamerweise weniger stark,
irgendwann räumt irgendwer dem anderen immer hinterher, der nach und nach in
die Rolle des Feindes abgleitet. Der, der immer die Schuhe im Weg liegen lässt,
immer die Kaffeetasse ungewaschen zurücklässt oder der nie die Haare aus dem
Auffangsieb in der Dusche entfernt. Die gewonnene Zeit wird nun für
Diskussionen genutzt und dieses Gegenüber, das wir doch einst so entgrenzend liebten,
behandeln wir selbstverständlich grenzenlos strenger, als wir es uns je bei
einem unserer Freunde erlauben würden. Seltsam, was wir dem uns Liebenden alles
glauben zumuten zu dürfen.
Warum
sich also das Zusammenziehen nicht für die Zeit im Altersheim aufsparen, wenn
man nicht mehr Berufsalltag und Liebe unter einen Hut bringen muss oder für
eine gemeinsame Wohnung in Rom, wo man drei Monate im Jahr verbringt und den
Ausnahmezustand genussvoll zelebriert. Ist ja nur einmal so eine Idee.
Natürlich können Sie sich auch ein großes Herrenhaus anmieten, Personal
einstellen und im eleganten Abstand den anderen noch Ich sein lassen. Denn
weder Zusammengehörigkeitsgefühl noch Liebe sind proportional an räumliche Nähe
gebunden.
(Dieser Text ist im Option Magazin erschienen)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen