In meiner Umgebung tummeln sich einige Menschen, die eine
Nicht-Beziehung führen. Diese Form der Beziehung macht sich für die Umgebung
vor allem in der Art und Weise bemerkbar, wie über sie berichtet wird. Egal wie
eine Geschichte anfängt, ob Eltern oder Freunde getroffen wurden, eine
gemeinsame Reise angetreten oder ein Ausflug in ein schwedisches Möbelhaus
gemacht wurde, sie endet immer mit dem Satz "Aber wir sind nicht in einer
Beziehung".
Ein weiteres Merkmal ist, dass immer nur ein Teil des Paares
eine Nicht-Beziehung ausruft, während die andere Seite dies nicht besonders
ernst nimmt, dagegen sprächen einfach zu viele Fakten. Weil es aber dennoch
kein offizielles Bekenntnis zu einer Beziehung gibt, endet jede Erzählung eben
mit dem Zusatz, es handle sich trotz alledem um keine Beziehung. Wobei dieser
Satz genau von jenem Teil des Paares ausgesprochen wird, das die
Nicht-Beziehung nicht ausgerufen hat, sondern hinnimmt. Klingt kompliziert. Ist
es auch.
Irgendwie muss ich dabei an Alice im Wunderland denken. Also
Sie wissen schon, an dieses wundervolle Kinderbuch des britischen Autors Lewis
Carroll, das man unbedingt als Erwachsener noch einmal lesen sollte.
Die Titelheldin Alice trifft auf ihrer Abenteuerreise unter
anderem auf einen Hutmacher und dessen bemerkenswerten Freundeskreis, die
gerade dabei sind eine Teeparty zu feiern. Nicht ganz freiwillig, wie sich
herausstellen soll. Der Hutmacher erzählt Alice von seiner früheren
Freundschaft zur Zeit, die er beeinflussen konnte wie er wollte. Doch mit dem
Befehl der Herzkönigin, den Hutmacher für seinen fehlerhaften Liedvortrag zu köpfen
– das Köpfen ist eine große Leidenschaft der Regentin – blieb die Zeit stehen.
Seit dem geht die Uhr nicht mehr weiter und für den Hutmacher und seine Freunde
ist es stets fünf Uhr, also immer Zeit für den Nachmittagstee. Sie sind in
einer unendlichen Tea-Party-Zeitschleife gefangen.
Alice verlässt diese verrückte Gesellschaft befremdet,
jedoch mit dem Gedanken, dass es durchaus großartig sein müsste, wenn man denn
die Zeit anhalten könnte, es an seinem Geburtstag zu tun. Denn dann könnte man
364 Tage Geburtstag feiern. Und "das Fest würde dann Nicht-Geburtstag heißen."
Vielleicht denkt sich ja der Alice-Teil einer
Nicht-Beziehung genau dies. Er findet den Nichtzustand einer Beziehung so
aufregend, dass er die Zeit anhalten und für immer eine Nicht-Beziehung feiern
möchte. Klingt romantisch, oder?
Hätte das Ganze nicht doch irgendwie einen bitteren
Beigeschmack. Und nicht deshalb, weil der Alice-Teil noch irgendwelche Tindergärten
nebenher beackern könnte und offiziell ja auch dürfte. Es geht nicht so sehr um
ein in Frage stellen der Monogamie, denn die wird in Nicht-Beziehungen nicht
selten ausgerufen und geschätzt. Vielmehr geht es doch darum, warum die Bürde für
ein Bekenntnis zu einem anderen Menschen so schwierig zu sein scheint, obwohl
gerne Zeit mit selbigem verbracht wird.
Und tatsächlich wird es mit voranschreitendem Alter immer
schwieriger dieses Bekenntnis überhaupt noch über die Lippen zu bekommen. Je
mehr sich das Leben festigt, desto kompromissloser werden wir gegenüber
anderen. Manchmal zu recht, manchmal aber auch zu unrecht. Es ist gut zu
wissen, was man möchte und nicht mehr möchte, aber kategorisch sollten wir
dabei lieber nicht sein. Das Leben passiert nämlich immer dazwischen. Klingt
abgedroschen, ist aber so.
Irgendwann, so stellt man fest, sind die Zeiten vorbei, in
denen man auf einer Party herumknutscht, am nächsten Morgen irgendetwas
unternimmt und dann irgendwie plötzlich zusammen ist. Die Leichtigkeit weicht
einem Misstrauen und Abwägen der eigenen Bedürfnisse, gefolgt von der Frage,
was man eigentlich (noch) bereit ist aufzugeben für einen anderen Menschen.
Ich halte nicht so viel davon, ein
Sind-wir-jetzt-ein-Paar-Gespräch herausfordern zu müssen, entweder jemand will
oder will nicht, sagt dies oder lässt es. Und das Unterlassen ist eben auch
eine Aussage. Ja, ich mag in dieser Hinsicht ein wenig starrköpfig wirken, aber
es zeigt sich immer wieder, dass am Ende des Tages doch alles recht einfach
ist. Der Rest ist Spielerei. Schöne und aufregende zwar, aber eben auch
schmerzhafte. Denn eine Nicht-Beziehung bleibt am Ende eben genau das, eine
Beziehung ohne wirkliches Commitment und ein Teil wird darunter leiden müssen.
Während der andere Teil sagt, er habe doch niemals etwas versprochen oder von
Anfang an darauf hingewiesen, dass eine Beziehung nun mal nicht möglich sei.
Auch wenn das eigene Handeln bei der Gegenseite gegenteilige Hoffnungen geweckt
haben könnte.
Jede Beziehung bedeutet Kompromisse einzugehen, auf vielen
Ebenen gleichzeitig. Das ist auch gut so, alles andere wäre langweilig. Aber
ich finde, dass zumindest eine Sache als grundlegende Basis unabdingbar ist:
ein klares Ja zueinander. Es warat wegen der Wertschätzung.
(Dieser Text ist im Option Magazin erschienen)
gscheite analyse.
AntwortenLöschenis wirklich so.
tja.