"Verarscht du mich
gerade?" Ich hatte mich ziemlich in die Nesseln gesetzt. Vor mir einer
dieser gutaussehenden, großen, bärtigen Männer, die gerade so modern sind. Mit
vollem Haar und immer einen Tick zu jung. Ich versuchte das süßeste Unschuldlächeln
aufzusetzen, das ich je in meinem Leben hervorgebracht hatte, auch wenn bereits
alles verloren zu sein schien, mir war nur nicht klar warum. Er wollte Rache!
Wien und das Schicksal hatten mich ihm ein zweites Mal in die Hände gespielt
und so freute er sich, dass er mir endlich, über ein Jahr später, die kalte
Schulter zeigen konnte. Ich bin mir sogar sicher, dass er mich verflucht hat.
Er hat so lange Bestellungen ans Universum gesendet, dass es ihn erhörte und
mich nun mit allgemeinen Nichtmelden all seiner Geschlechtsgenossen bestraft.
Vermutlich muss ich irgendwelche Tiere opfern oder Torten gen Himmel
schleudern, um die Götter wieder milde zu stimmen.
Ich weiß, dass es durchaus
nicht höflich ist jemanden zu vergessen, den man einmal geküsst hat. Auch wenn so
viele doch zum Vergessen sind. Noch unhöflicher ist es nur noch denjenigen
später nicht einmal mehr wiederzuerkennen und ein zweites Mal mit lüsternen
Augen zu bewerfen. Vor allem wenn er sich nach der nächtlichen
Knutscherei tatsächlich dazu durchgerungen hatte sich zu melden. Wovon die
moderne Frau ja eher gar nicht mehr ausgeht. Heute bittet man den Mann zum
Kuss, fädelt weitere Treffen ein und hofft, dass dessen Angst vor – ja vor was
eigentlich? – irgendwann überwunden wird. Vorher unmotiviertes Tauziehen,
Panikattacken, Versagensängste und das Breittreten der Lebensgeschichte. Oder
wie eine Wiener Sexkolumnistin, deren Name ich (natürlich) vergessen habe, es
so trefflich zusammenfasste: Die Frau stellt dem Mann in einer Bar ein Bein und
nimmt ihn dann mit nach Hause, um ihn zu verarzten. So beginnen
Liebesgeschichten in Wien. Mit einem Unfall.
Vergessen werden wollen die Herren also nicht.
Auf keinen Fall. Nie. Das betonte neulich ein Hosentaschen-Casanova mit
besonderem Hinweis auf eben diese vergangene Geschichte. Küssend gab er in
einer Atempause zu bedenken, dass er hoffe mir in Erinnerung zu bleiben, anders
als einst dieser junge Mann. Bitte, in diesem Land vergisst man ganz andere
Dinge, zum Beispiel Steuern zu zahlen oder seine Konten in anderen Ländern, vor
allem aber immer die Verpflichtungen jenes Amtes, das man gerade inne hat.
Überhaupt kennt man sich in Wien doch vor allem vom Wegschauen. Da ist mein
Schwarz-Kuss-Konto doch noch absolut jungfräulich. Außerdem ist es ja
glücklicherweise so, dass viele mit ihrem sonderbaren Verhalten sehr bemüht
darum sind, dass man sie in Erinnerung behält. Als verkorkste moralisierende
Schwätzer. Aber immerhin. Hach, das ist wirklich eine aufregende Zeit für
Frauen!
Notizen…
Erwähnt: Irgendwie wiederhole ich
mich. Oder es wiederholt sich. Das Leben wiederholt sich. Genau, das wars. Der
Beitrag von 2011:
http://mirakolenc.blogspot.co.at/2011/10/haben-sie-schon-mal-im-dunkeln-gekusst.html
Artikel: "Als wäre es
das letzte Geheimnis des Menschen." Ein Interview mit dem Philosophen
Alexandre Lacroix über eine Geste, die biologisch keinen Sinn ergibt, lesen:
http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/39879
Musik: Tanz der Küsse…
Grandios! June Richmond singt "La danse du baiser", hören:
http://youtu.be/i3eUV8ltthU
Video: Rita Hayworth in
Bestform. "I've been kissed before",
sehen: http://youtu.be/1_tOll47T9A
Video: Falls Sie Nachhilfe
brauchen was filmreifes Zieren vor einem Kuss angeht, dann gibt es hier
Anregung,"Dein Mund ist Musik", sehen: http://youtu.be/epIayBbPYjM
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