Opernregisseure sind eine eigene Spezies – eine ganz eigene Spezies. Aber wir können von Ihnen den "großen Auftritt" lernen.
Teil meiner Schallplattensammlung |
Was für Menschen auf einen immer so losgelassen werden!
Gut, im
Alltag auf der Straße kann man sich dem nicht gänzlich entziehen, in
Anstalten der öffentlichen Hand erwartet man ja eher schon eine gewisse
Vorselektion, bekommt sie leider aber doch nicht.
Jeder, der
einmal ein Opernhaus nicht abends für den Zweck betreten hat, füllige
Menschen in fülligen Kostümen zu betrachten (lassen Sie mir das
Klischee, auch wenn ich selbstverständlich weiß, dass wir Anna Netrebko
haben – das Allheilmittel, die Verjüngungs- und Verschlankungskur für
die ganze Branche), trifft unweigerlich auf die Menschen, die sonst im
Dunkeln stehen…meist einfach auch zu Recht!
Eine ganz
besondere Spezies sind die Opernregisseure (Frauen sind Mangelware und
werden minderheitentypisch hier einfach mal ignoriert): Die wirklichen
Dramen aber spielen sich, wie wir ja wissen, nicht auf der Bühne ab,
sondern schreibt das Leben!
Ab und zu entlässt man diese sozial
inkompatiblen Wesen aus ihrem Käfig, in dem ihre Macht uneingeschränkt
anerkannt wird, DarstellerInnen ist das eigenständige Denken sowieso
tendenziell untersagt, das Theater lebt von klaren Rollenverteilungen,
einmischen unerwünscht und dann führen sie sich eben auf wie Tiere, die
man von der Leine gelassen hat.
Drei Tage mit Herrn K., der
kürzlich Traviata, die alte (und schwäbelnde – na, was es nicht alles
gibt) Hure, zusammen mit Karl-Theodor zu Guttenberg auf die Bühne
brachte, zumindest scheint sich das Kostümbild zu Guttenberg als
Idealbild des naiven jugendlichen Helden vorzustellen, waren eine
One-Man-Opernaufführung und sicher für manch einen dramatischer, als
sein ganzes Leben bis dato. Über seine Lesarten der Opern kann, nein man
muss sich streiten, aber sein polterndes Auftreten ist durchaus eine
Inspiration!
Wie aber gelingt ein solcher unvergesslicher Auftritt? Ganz einfach:
Maßgebend bei dieser Art von Inszenierung: Seien Sie absolut von sich selbst überzeugt und denken Sie, Sie seien ein Star.
Auch
wenn Sie einen schrecklichen Akzent sprechen, lassen Sie sich nicht
davon abbringen andere darauf hinzuweisen, dass Sie doch bitte Deutsch
sprechen sollten und überhaupt, alle reden unverständlich, also immer
genervt überdeutlich betonend ins Wort fallen: „Ich verstehe Sie
nicht!“. Damit unterbinden Sie unnötige Diskussionen, weil die
Gegenseite durch ständiges Wiederholen von alleine aufgibt.
Grundsätzlich
sollten Sie auf Assistenten bestehen. Unterlagen, Stifte etc. sollten
niemals (!) selbst mitgeführt werden und auch der Ort, an dem Sie
erscheinen sollen, dürfen Sie niemals von sich aus ausfindig machen
wollen oder wenn Sie ihn bereits kennen, etwa alleine aufsuchen.
Bestehen Sie auf eine Begleitung, die Sie entsprechend leitet.
Gut
ist auch, zumal Sie dann immer gleich die Hierarchie festgelegt haben,
andere Menschen mit „Und wer sind jetzt Sie?“ anzusprechen. Damit zeigen
Sie außerdem, dass man Sie kennen sollte und der andere sich und seine
Anwesenheit vor Ihnen erst einmal erklären muss.
Sollte Sie einmal
etwas ärgern, dann holen Sie zum Generalschlag aus! Sätze wie: „Sie
haben es nicht verdient zu leben, Sie sind tot!“ sind wunderbar, wenn
Sie Ihrem Schneider einmal eine schiefe Naht nicht verzeihen können.
Aber dabei sollten Sie es auf keinen Fall belassen. Stimme anheben, von
Vorteil wenn Sie etwas über Sprechtechniken Bescheid wissen, brüllen und
einfach einmal alles, was Sie schon immer genervt hat los werden: Wien,
Versuchsanstalt für den Weltuntergang (hier müssen Sie das Zitat frei
nach Karl Kause einfach entsprechend Ihres aktuellen Aufenthaltorts
ändern), niemand kümmert sich, alle schauen nur zu, keiner weiß etwas,
satt sind Sie alle, ausgeschlafen, ja davon verstehen Sie etwas!
Probieren
Sie es aus (die Angst für jähzornig gehalten zu werden müssen Sie
überwinden. Scham ist bei solchen Inszenierungen absolut
hinderlich.)…und gehen Sie in die Oper! Hier dürfen Sie hemmungslos
Rosen und gleichermaßen faule Eier werfen.
Trauen Sie sich, seien Sie emotional!