Everbody thinks Vienna is boring – oder: No Sex and No City

Ja, Wien ist wunderbar! Natürlich. Schauen Sie sich diese Häuser an! Und an einem Samstag auf irgendeinem Markt sitzen und Kaffee trinken, doch, das ist wirklich immer wieder schön. Aber nachts, da ist Ihr Bett tendenziell aufregender als ein Club.
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"Wien wird von Trendkapazundern gerne als das „neue Paris des Ostens“ bezeichnet" sagt Nicole Adler und die muss es ja wissen, die ist ja Wer. Deshalb hat sie jetzt auch einen City-Guide, zu Deutsch Stadtführer, für Wien herausgebracht, der sich speziell an Women, zu Deutsch Frauen, richtet. Das ist schön, denn es ist doch nur zu hoffen, dass sie mir nach sechs Jahren Forschungsreise durch die Stadt endlich DIE Orte verrät, an die man muss um das Parisfeeling zu feelen, äh fühlen. Dieses Semi-Englisch des Titels verwirrt mich etwas. Denn trotz der Trendvorhersage, dass Wien bald Paris werden soll, muss doch einmal gesagt werden: es ist sehr häufig langweilig nachts in Wien.

An einem Sonntag Abend sollten Sie besser gar keinen Fuß vor die Tür setzen, außer Sie lieben beängstigend leere U-Bahnen, Bars und Straßen. Man fühlt sich selten so einsam in einer Hauptstadt, in der ja angeblich um die 1,7 Millionen Einwohner wohnen sollen – vielleicht wurden die Haustiere mitgezählt. Wo sind die alle? Vermutlich liegt es an den immer höheren Mieten, da will man auch was von haben und bleibt zu Hause. Als neulich eine, wir gehen davon aus, junge Frau, letzteres ist sicher, einen Beitrag in einem Online-Magazin über Wiens Nachtleben veröffentlichte, mit der Überschrift "Everybody thinks Vienna is boring. If you don´t know the gateways, you´re not in. But if you do, welcome to hell." und dann diese höllischen Orte aufzählte, ist wohl klar, dass ich die einzige bin, die noch nicht in diesem wiener Paris angekommen zu sein scheint. Ich meine jedoch eher, sie hat einfach verwechselt, dass eine Masse Menschen an einem Ort zur selben Zeit meist zwar wirklich "Hölle" sind, aber nicht zwangsläufig auch Amüsement. Im Musemsquartier zum Beispiel kann man sich wunderbar unter die Massen mischen, aber ich bin mir bis heute nicht sicher, ob ich mich darüber freuen soll, dass sich viele junge Menschen an einem Ort versammeln und miteinander kommunizieren, oder ob es nicht doch nur der Ausdruck von Alternativlosigkeit ist. 

Alternativlosigkeit schreien auch solche ereignislosen Veranstaltungen von der Albertina, wohin angeblich fast zweitausend Menschen kamen, letztes Wochenende, um sich pre-opening-mäßig Kunst anzusehen. Kunst hat niemand gesehen auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten. Man wusste gar nicht wo man hinsehen sollte, in jeder Richtung standen Menschen, die nicht an die Wände schauten, sondern sich gegenseitig musterten. Ich kenne ja die Zoo-Situation, aber hier stand man eindeutig vor Gericht und das war gnadenlos.

Nach einem Jahr intensivster Nachtlebenrechere (und fünf Jahren Nebenbeirecherche) ist eines sicher, gebe es nicht die Einladungen zu Sonderveranstaltungen und Privatfeiern würde man in Wien eingehen. Wenn Sie sich als Kind schon immer gut mit sich alleine beschäftigen konnten, ist Wien perfekt. Dann nehmen Sie sich ein Holzpferdchen mit und spielen an der Bar, zusammen mit Ihrem Wodka Martini. Die Olive ist ein famoser Statist. Ein gutes Nachtleben ist richtig harte Arbeit, dafür braucht man Freunde mit Nerven aus Stahl, viel Humor und einer Kontaktliste wie James Bond. Alles andere ist eine glatte Lüge.  

Erwähnt: "Wien for Women only", Nicole Adler, mit Fotos von Doris Erben, Brandstätter Verlag Wien - München.