Ich sehe es ja durchaus ein, dass ein paar doch die Welt ernst nehmen müssen. Eben damit ich es nicht tun muss.
"Ja
sowieso, du bist absolut Boulevard" hieß es trocken bei der
frühmorgendlichen Romantik einer gemeinsamen U-Bahnfahrt nach einem ONS und dem
Studieren der "Heute"-Horoskope, um herauszufinden, ob ein
Wiedersehen überhaupt sinnvoll wäre und um nebenbei Gesprächsstoffdefizite
auszugleichen. Keine Liebesgeschichte ohne den Horoskop-Segen der
"Heute", dafür liegt die ja aus. Bis auf das Horoskop, zum
morgendlichen Partnerschaftsroulette spielen, ist nämlich nichts
Bemerkenswertes an dem selbsternannten "Aufdeckerblatt". Es würde
nicht einmal ausreichend vor unerwarteten Regenschauern schützen. Nicht, dass
ich jetzt ernsthaft mit einer Zeitung über den Kopf durch die Gegend rennen
würde, aber wenn Sie zu solchen filmverdächtigen Handlungen neigen sollten, sei
Ihnen von den gratis Cellulosefasern abgeraten, einfach zu dünn
Das Horoskop hatte
ergeben "widmen Sie sich Ihren Freunden", also kein Morgen für den Mann
trotz Heute, naja eher kein Morgen wegen Heute. Der Boulevard schlägt zurück
und zwar stehenden Fußes, damit muss man rechnen. Auch wenn ich nie für heitere
Boulevardstücke gebucht werde, sondern für die ernsten Dramen, bei denen ich
nie lächeln darf, gebe ich mich auf der Bühne der Gesellschaft dem Schwank hin.
Vielleicht liegt das auch daran, dass ich ständig für irgendwen gehalten werde,
der ich nicht bin, so allgemein und im Speziellen. Lena Hoschek ist dabei eine
sehr beliebte Verwechslung. "Du bist doch die, die mit den
Dirndln. Ja wie heißt sie denn?" überfiel mich neulich erst eine
Journalistin vom Konkurrenz-Gratisblatt "Österreich". Es folgte
ein Redeschwall ohne Unterbrechungsmöglichkeit, nicht einmal mit Essen und
Trinken war sie zu stoppen. Ich sei damals nicht gekommen, obwohl ich es doch
versprochen hätte, alle hätten auf mich gewartet. Eine Tatsache, die mich erst
einmal stark an mich selbst erinnerte, um dann für Frau Hoschek erleichtert zu
sein, dass sie der Einladung nicht nachgekommen war, sie hat sich einiges
erspart. Allerdings weiß sie jetzt nicht, im Gegensatz zu mir, wie es in der
"Österreich"-Redaktion so zugeht und dass man sich bei Langweile
Stickeralben ausdenkt. So ein Scoop, so eine Cashcow!
Bei der
"Heute" übrigens schlägt man die Langweile anders tot, nämlich mit
Gummibärchenmobbing. Jeden Morgen, so berichtete mir eine anonyme Quelle,
bringt ein Frucht- und Weingummifetischist eine Tüte Gelantineteile in
unterschiedlichsten Formen mit, um dann kleine Mengen seines Erregungsmittels auf namentlich
gekennzeichneten Haftnotizen an die Kolleginnen und Kollegen zu
verteilen, oder eben auch nicht. Die Sympathielage ist an der Gelatinefront
abzulesen. Boulevard wohin man schaut!
Irgendwann hörte
übrigens dieses Gesicht, das nur aus Mund zu bestehen schien, auf zu reden und
ich hatte kurz Zeit mich vorzustellen. Aber wieso, ich würde doch so aussehen
wie sie. Um es mit Stefan Petzner zusagen, einer der großen
Boulevardschauspieler, "oft sind die kompliziertesten Dinge in Wahrheit ganz
banal."
Notizen…
Keine. Wer möchte schon
beim Thema Boulevard erwähnt werden? Wobei, doch:
Und noch einmal Musik: Das Album "Panic" von Caravan Palace, weil ichs gerade so gerne höre – daraus der Titel "Rock It For Me". Hören
Zitat: "Da geht es oft
auch schmutzig zu". Falter 29/12, S.11