Von Claustria und Lochverwandtschaften

"Claustria" ist der Titel eines Romans, den Sie nicht zu lesen brauchen. Aber das Wort "Claustria" hat es mir sehr angetan. Ich versuche es durch ständigen Gebrauch salonfähig zu machen, denn es ist irgendwie poetisch.

"Mira, ich habe eine wunderbares Wort für dich, du wirst sehr begeistern sein." versuchte mich ein Filou angesichts eines anderen engherzigen und egozentrischen Filous, den ich kurz vorher beschimpft hatte, abzulenken. Ja, auch das ist manchmal nötig, vergessen Sie das mit den sanften Konfliktlösungen. Machiavelli mag seinen Fürsten ja gelehrt haben, wie man mit Vernunft und Kalkül weiterkommt, statt mit Gewalt, Gefühl und Leidenschaft, aber ich muss ja kein Land regieren. Zum Glück. Allerdings eher schlecht für entscheidungsschwache Bedenkenträger. 

Ein Versuch hat übrigens ergeben, dass man Menschen immer wieder an Moral und Ethik erinnern muss. Nachdem man die Probanden aufgefordert hatte die zehn Gebote aufzusagen, zumindest es zu versuchen zumal diese nicht gläubig waren, schwindelte bei dem anschließenden Experiment niemand. Für mich stellt sich ja sofort die Frage, ob das in "Wie stehen wir eigentlich zueinander?"-Situationen auch geht? Bitte antworte nicht sofort, sag´ mir vorher erst noch die zehn Gebote auf. Oder vielleicht so allgemein immer: Sie möchten mit mir zusammenarbeiten? Sich morgen melden? Einmal einen Kaffee trinken gehen? Gerne, sagen Sie aber erst noch die zehn Gebote auf und dann wiederholen Sie noch einmal Ihr Anliegen. Wobei, ich habe es ja nicht so mit der Bibel, ich würde einfach die preußischen statt der christlichen Tugenden verlangen. Und zwar mindestens zwanzig. Ich weiß, ich werde einsam sterben müssen.

Der Filou also, der seit geraumer Zeit meine Forschungen in den "Sumpfgebieten" der Wiener Kunst- und Kulturszene mitverfolgt, war ganz entsetzt, dass ich dieses Wort nicht kannte: "Lochschwager". Die Runde um uns herum war leicht pikiert, ich absolut glücklich. Es gibt für Sprachfetischisten nichts Erfüllenderes, als endlich das richtige Wort für Unaussprechliches gefunden zu haben. Selbstverständlich finde ich, dass es auch eine "Schwanzschwägerin" geben muss, wenn wir schon für Gleichberechtigung sind und ich spreche überhaupt sehr gerne allgemeiner von "Lochverwandtschaften". Das klassiche "wer mit wem, wann und wie lange" ist ja nichts andereres, als das Erstellen von Verwandtschaftsbäumen. Der etwas anderen Art. Auch hier muss man immer wieder feststellen: Verwandtschaft kann man sich (leider) nicht aussuchen und sie macht gerne auch einmal Ärger. Längeres sinnieren über die ganzen Verbindungen zwischen den einzelnen Bäumen führt jedes Mal dazu, dass ich mich frage, wo eigentlich Innzucht anfängt und wo sie aufhört. Und wie viel Verwandtschaft ein Mensch überhaupt (v)erträgt. 
Um sie und Klatsch möglichst klein zu halten, bleibt einem wohl nichts anderes übrig, als sich die frischen Neuzugänge der Stadt als Gefährten zu suchen. Die sind so herrlich unverdorben, unversumpft, unbeleckt und verwandtschaftsfrei. Wie die Luft nach einem Sommergewitter, der Duft von frisch gestärkten Hemden. Aber ab und zu muss man sich wohl mal die Bluse schmutzig machen.

Notizen…
Erwähnt: "Diese Leute sind keine Psychopaten", in: brand eins 09/2012, Schwerpunkt "Interessen", S.72-75.
Just because i like it: Album "Laminate Pet Animal" von Snowmine. Daraus "Let Me In". Hören

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