Miras Sudelbuch: November 2012

Dieses Jahr ließen sich ja der Weltspartag und Halloween gut kombinieren. Verkleidungstechnisch gesehen. Das Fürchten wird uns aber doch immer erst am nächsten Tag gelehrt, wenn wir die "Wirtschaftskrise" ohne Maske und im Tageslicht sehen.

Ich habe ein Trauma: Kostümpartys! Ist jemanden eigentlich schon aufgefallen, dass auch fernab der fünften Jahreszeit, die bekanntlich ja das Kostümieren zur Hauptangelegenheit erklärt, ständig verkleidet gefeiert wird? Man entkommt ihnen gar nicht mehr, den Bad Taste- und Good Taste-Partys jeglicher Art und Sonderformen. Ich habe mit Zehn mein letztes Kostüm getragen. Ich ging als Rosenrot aus dem Märchen „Schneeweißen und Rosenrot“ und danach war Schluss. Also Türsteher sehen das in der Regel nicht so, denn sie lassen mich bedenkenlos zu jeder Veranstaltung, die irgendeine Verkleidung verlangt. Vermutlich würde man mich auch reinlassen, wenn der Dresscode "junge Römer" vorschreiben würde. 

Ich fand schon damals, dass es ungemein gestört hat, wenn mein Spielkamerad in einem Tigerkostüm steckte oder als Pirat kam. Mit sperrigem Säbel oder ungelenken Pfoten war mit ihm nicht mehr viel anzufangen. Die großen Krapfenberge trösteten allerdings stets großzügig über diese komischen Umstände hinweg. Endlich die Kindheit unversehrt überstanden, war lange Zeit das Verkleiden kein Thema mehr. Zumal ich alle Hochburgen des Karnevals sehr sorgsam mied und in das faschingfeindliche Wien zog. Hier geht man festlich herausgeputzt auf Bälle und lässt in Gedanken die gute alte Zeit, in der der Kaiser noch über Wohl und Weh des Landes entschied, wieder aufleben. Ist ein bisschen wie Halloween, nur über paar Wochen verteilt. Jedes Jahr werden kleine Skandale kreiert und junge Damen und Herren in irgendeine Gesellschaft eingeführt, die niemand mehr so genau kennt. Aber bitte, das stört nicht weiter. Keine Narren überfallen einen auf der Straße und bewerfen einen mit Bonbons. Sehr angenehm.

Aber da habe ich die Rechnung ohne meine arme orientierungslose Generation gemacht. Die leidet ja unter dem "Goldene Zeitaler-Syndrom" und ist überzeugt, irgendwann war es einmal schöner. Auf jeden Fall schöner als es jetzt gerade ist und insbesondere waren es die Feste. Also hüpft man, in einer unsinnigen Hoffnung, am Wochenende verkleidet zu einer dieser Motto-Partys, um irgendein Zeitalter zwischen den 1920igern und 1970igern zu glorifizieren. Und schwups ist man wieder zurück in der Kindheit. Nur ohne die Krapfenberge. Kleidung mag ja Leute machen, allerdings auch nur so lange, bis sie nicht ihre wahre Identität durch Wort und Tat verraten. Weder sind die Feste ausgelassener noch faszinierender. Niemand kann eben aus seiner Haut, nur sie anderes bedecken. Das ist alles. Außerdem sind so Kostümpartys wirklich ineffizient, denn den Dandy- oder Al Capone-Verschnitt muss man sich ja immer ein zweites Mal ansehen. Bei Tageslicht und unverschleiert. Da kann es dann zu ziemlich bösen Überraschungen kommen. Oder sagen wir so: wären die Umstände "normal" gewesen, hätte man schon vorher die überdimensionalen Turnschuhe betrachten können und bei der Lederimitatjacke gedacht, dass man sich vielleicht einfach sofort auf französisch verabschieden sollte. Von Kürbis- und Zombiekostümen möchte ich gar nicht erst anfangen. Da weiß man ja nicht einmal, ob einem das Gesicht gefallen wird. Nein, ich bleibe dabei. Das mit der Verkleidungswut ist mir schleierhaft.
 

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