Altherrenwinter

Ich weiß, ich könnte es mir mit einer ganzen Altersspalte verscherzen. Ich gehe das Risiko ein. Denn Risiko ist nun einmal das Salz in der Lebenssuppe. Typisch Wissenschaft: Spezialfälle gibt es immer, bleiben aber unerwähnt. – Junge Dame, Sie sind ja noch grün hinter den Ohren!

"Ach weißt du, ich gehe nicht mehr aus." Dieser Winter ist so zäh, zäh wie falsch zubereiteter Tintenfisch. Und noch dazu hat sich eine neue Altersspalte in mein Leben geschlichen, die diesem Winter recht ähnlich ist, die Vierzigjährigen! Klammheimlich. Irgendeiner muss einmal den Anfang gemacht haben, nahezu unbemerkt, und hat dann gleich das Tor für seine restlichen Altersgenossen geöffnet. Oder macht sich bereits der demografische Wandel bemerkbar? Könnte natürlich auch sein. Aber gut, was sind schon so zwölf, vierzehn, sechzehn Jahre Altersunterschied? Und ich bitte Sie, mit Vierzigundsoweiter ist Mann ja noch auf keinen Fall alt, eher im besten Alter! Die Karriere ist gut vorangetrieben, die Hörner abgestoßen, eine geräumige Wohnung angemietet, wahlweise auch gekauft und detailverliebt eingerichtet worden und so allgemein eine gewisse Nüchtern- und Gelassenheit eingekehrt. Man weiß, was es heißt, zehn, zwölf Jahre mit einer Frau zusammen gewesen zu sein, weiß, wie man Haushalte wieder trennt, Kinder getrennt gemeinsam erzieht und Scheidungen viel Papierkram bedeuten. Ein Mann, der gerade noch so die Kurve zurück in die erste Runde schaffte, betitelte diese an Lebenserfahrung reichen Herren gerne als die "Zweiterundemänner".

Das Leben der "Zweiterundemänner" ist sehr stark von den Dingen geprägt, die nicht mehr gemacht werden, weil man sie ja einmal sehr ausgiebig gemacht hat. Also bekommt man auf Fragen und Vorschläge häufig die Antwort: "Nein, das mache ich nicht mehr" oder "Nein, da gehe ich nicht mehr hin". Am liebsten bleiben sie zu Hause und frönen Ihrer heiß entflammten Leidenschaft fürs Essen und Kochen. Ganz besonders lieben sie das Essen. Und das Essen gehen. Und das Reden übers Essen. Und sie fotografieren ihr Essen. Und reden über das Essen von Essen. Und das Zubereiten von Essen. Und dem Einkaufen von Essen. Von der Stadt Essen halten sie aber meist nichts. Böse Zungen behaupten ja, Essen sei der Sex des Alters. Aber ich bitte Sie, wer spricht hier von Alter?! Wir werden ja alle nicht alt, höchstens älter. Wir werden zu älteren, aber bitte nicht zu alten Herren und Damen! Neulich sagte mir einer, der erst einmal eine Stunde von seinen ganzen Jugendeskapaden erzählen musste, was mir wohl den Eindruck vermitteln sollte, was für ein toller Hecht er einmal war, dass er jetzt eigentlich mehr eine Begleitung fürs Kino suche. Das andere sei alles nicht mehr so wichtig. Tja, gerade ins Kino gehe ich fast ausschließlich und sehr gerne alleine. So sieht das also aus, wenn die Jagd vorbei ist!

Eine Freundin löste das ganze Thema, und beschwingt angesichts des nahenden Frühlings, ja einfach so, in dem sie ihr 41-jähriges Exemplar gegen ein 26-jähriges tauschte. Ob das nun der Weisheit letzter Schluss ist, weiß ich nicht, aber zumindest gibt es jetzt wieder mehr Unvernunft und Lässigkeit… und gegessen wird schon auch noch. Die Väter der 26-Jährigen können nämlich meist sehr gut kochen! 

Notizen…           
Rezept: Apropos Essen, weil wir gerade dabei sind. Lange, aus unerfindlichen Gründen verschmäht selbst zu backen, derweil so einfach und deshalb hier allen ZitronenliebhaberInnen ans Herz gelegt, die Zitronentarte! Frühling zum Essen. Mein momentanes Lieblingsrezept hier: http://www.fleurdupoirier.blogspot.co.at/2011/10/lemon-tarte-with-meringue-tarte-au.html
Buchtipp: "Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares" von Fernando Pessoa. Mehr Infos: http://www.fischerverlage.de/buch/das_buch_der_unruhe_des_hilfsbuchhalters_bernardo_soares/9783596172184 
Kolumne: Katja Riemann hat ja etwas Wellen geschlagen, wegen eines komischen Fernsehinterviews. Wir lassen sie hier noch einmal quasi zu Wort kommen, denn sie findet, dass Männer ab Vierzig erst richtige Männer sind. Lesen: http://www.sueddeutsche.de/leben/schmachtwort-von-katja-riemann-maenner-werden-ab-erst-attraktiv-1.1623696
Musik: "Ich brech' die Herzen der stolzesten Frauen", Max Raabe. Hören: http://youtu.be/-DoHuykpY8s?t=1m30s

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