Daniela Katzenberger, bekannt und beliebt dafür,
das auszusprechen, was für andere in die Kategorie "too much
information" fällt, teilte erst kürzlich der Öffentlichkeit mit, dass ihre
Wohnung aus Platzgründen klotürenlos sei. Was ihren mittlerweile Verlobten und Kindsvater
zunächst irritierte. Aber das Paar überwand die Scheu und freut sich nun
darüber, dass es nichts mehr gibt, wofür man sich schämen müsse. Da bekommt der
berühmte Satz aus Ingeborg Bachmanns Dankesrede bei der Entgegennahme des Hörspielpreises
der Kriegsblinden 1959 – "Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar" –
noch einmal eine ganz andere Dimension. Ich höre im Hintergrund schon Rainer
Langhans applaudieren!
Wobei, der Süddeutschen Zeitung sagte dieser
kürzlich in einem Interview zu seinem 75. Geburtstag, dass alles so toll gar
nicht war. Was so locker wirkte, war am Ende doch sehr verkrampft und heute
leben alle wieder in eigenen Wohnungen mit eingehängten Türen. Wie auch immer,
ich finde, man kann durchaus so weit gehen und das Projekt "Weg mit der
Klotüre" für gescheitert erklären.
Viele verwechseln einfach gerne Vertrautheit mit
Vertrauen. Nein, das ist nicht dasselbe. Mit all den kleinen Geheimnissen, die
jeder so hat und die in einer Beziehung nach und nach aufgedeckt werden, muss
nicht auch das Geheimnisvolle weichen. Sprich: wir wissen, dass der Partner
sich regelmäßig die Fußnägel schneidet, nur ist es ein Unterschied, ob wir
dabei auch zusehen.
Das, was Langhans als spießbürgerlich abtat,
nämlich dass jeder seine eigne Intimsphäre besitzt, die er auch bewahren
möchte, ist kein Ausdruck von Misstrauen. Wer mitteilen möchte, dass er keine
Geheimnisse vor dem anderen hat, sollte dafür nicht den Weg über die Toilette
wählen. Wir wissen, dass das Gegenüber ein Mensch ist und sind über die ganzen
Vorgängen bestens informiert, zumal wir sie von uns selbst kennen. Nein, eine
Beziehung braucht nicht diese Form der Grenzenlosigkeit um als vollkommen zu
gelten.
Da fällt mir auf: einer der größten Unterschiede
zwischen Deutschland und Österreich ist ja in Wahrheit die Bad-Toiletten-Frage.
Vergessen Sie die Sprache, die Mentalität und den Kaffee. Nein, an der
Bad-Toiletten-Frage scheiden sich die Geister. In Deutschland sind beide Räume
vereint, in dem Fäkalhumor zugewandten Österreich zumeist separiert. Ich weiß
auch nicht wie es in Deutschland zu dieser Idee der Zusammenlegung kam, aber
irgendwer hätte da einmal einen Riegel vorschieben müssen. Wahnsinnig unpraktisch,
benutzerunfreundlich und nur weil es in beiden Räumen Kacheln gibt, heißt das
noch nicht, dass sie auch vereint gehören.
Wir halten also fest das Bad ist der intimste
Raum in einer Wohnung. Und das Schlafzimmer? Ach, das Schlafzimmer klingt nur
für außenstehende Ohren besonders intim. Im selben Bett zu schlafen bedarf zwar
Vertrauen, immerhin ist man als Schlafender ja in gewisser Weise schutzlos,
aber diese Form der Intimität ist doch eine, die man gerne teilt. Meistens
zumindest.
Was aber im Bad passiert, sollte auch im Bad
bleiben. Immerhin war man zu Anfang ja auch darauf bedacht, dem anderen noch
die Illusion zu lassen, dass man ein Mensch sei, der sich entgegen aller
Naturgesetze nie die Fußnägel schneiden muss. Wieso kann die Wahrheit, die
ohnehin kein Geheimnis ist, also nicht bis ans Ende aller Tage etwas bleiben,
was ein jeder mit sich selbst im Privée (es trägt ja nicht umsonst diesen
Namen) ausmacht?
Weil es grenzenloser bequemer ist. Das ist eben
wie mit der Kleidung, die wurde über die Jahrhunderte auch immer praktischer
und gemütlicher. Und unbefangener wurde auch der Umgang miteinander. Wer zieht
sich heute für das Abendessen zu Hause noch um? Umständlich? Definitiv! Doch
die Formlosigkeit hat auch ihren Preis. Formlose Beziehungen schmecken
irgendwann so schal.
Denken Sie an Charles Aznavours Lied "Du
lässt dich geh'n"! Ziehen Sie also mal wieder öfter die schlabbrige
Haushose aus oder lassen die Lockenwickler im Bad und geben Sie sich der
Illusion hin, dass der andere eventuell einer der wenigen Menschen ist, für den
die Naturgesetze nicht gelten. Oder nur ein bisschen.
Ah, und damit Sie sich diesbezüglich um Frau
Katzenberger keine Sorgen machen müssen: inzwischen hat sie samt Verlobtem und dem
gemeinsamen Baby ein Haus bezogen, das wieder Platz für Türen hat. Für alle Räume.
Ich sagte ja, die klotürenfreie Ära ist einfach vorbei.
(Dieser Text ist im Option Magazin erschienen)
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