"Girl-friendy Type Persons" – oder: Definitionen am Rande des Wahnsinns (der Liebe)

Single, in einer Beziehung, verlobt, verheiratet, es ist kompliziert, in einer offenen Beziehung, verwitwet, getrennt, geschieden – das bietet Facebook uns UserInnen, um unsere interpersonalen Verhältnisse klar zu machen. Verpartnert fehlt noch, das könnte ich zumindest bei meiner Krankenkasse ankreuzen.

In Operetten ist das Leben auf jeden Fall einfacher, zumindest
gibts am Ende immer eine klare Lösung...
Der Versuch einer Etikettierung der interpersonalen Verhältnisse ist der Tod der Liebe. Oder vielleicht auch nicht. 
Mein Haus- und Hofpsychologe (das ist ein Psychologe, der diese Tätigkeit auch ausübt, vorzugsweise ein älterer Herr mit dem man befreundet, aber nicht in Behandlung ist und trotzdem zwischendurch drei Sätze über Situationen sagt, die einen selbst betreffen und in der Regel dann wieder einmal im Mark erschüttern. Und zwar deshalb, weil mir die Welt der Psychologie so entsetzlich einfach vorkommt. Am Ende ist alles nur ein Mechanismus, den man sich erklären kann und dann steht man da, wie ein begossener Pudel, mit der eigenen Scham, weil es im Grunde doch überhaupt nichts zum Aufregen gibt) würde sagen, ohne kommt die Liebe nicht aus. Die Erfahrung lehrt, ohne kommt die Liebe nicht aus. 

Nun gut.
Soziologen, darunter natürlich auch Frauen, also auch Soziologinnen, beschäftigen sich selbstverständlich vorzugsweise mit diesem Thema und sind auf der Suche nach definierenden Begriffen. Denn das Problem heutzutage ist ja bekanntlich, dass es nicht mehr ganz so einfach ist mit den zwischenmenschlichen Beziehungen. Es gibt so viele Zwischenformen, dass niemand mehr wirklich durchblickt. So ergeben sich auch Abende, an denen man mit zahlreichen Ausführungen über die gelebte Beziehung von Pärchen überschüttet wird, um am Ende sowieso nur ein "Das freut mich für euch, dass das so wunderbar klappt" loszuwerden. Denn wir wissen, die Zeit wird es schon richten, so oder so. Und bitte, was ist schon richtig und was falsch? Es gibt keinen Standard an dem man sich reiben, messen, orientieren könnte. So schwimmen alle vor sich hin.

Aber das Schwimmen beginnt ja bereits beim ersten ausgemachten Zusammentreffen. Ist das nun ein Date (zu amerikanisch), ein Rendezvous (zu altmodisch und evt. auch schon zu eindeutig), ein Treffen (zu neutral), ein Freund (geht überhaupt nicht), was Ernsthaftes (wer weiß das schon, wenn man vom anderen nichts weiß), ein Bekannter (neutraler geht es dann kaum noch), ein Tête-à-tête (klingt nach rotem Plüsch und heimlicher Geliebten) und dann geht's weiter: Lover (klingt nach schlechter Serie), Affäre (klingt nach Politik oder Sex mit der Politik(ern)), Muse (diesen Titel bekommt man immer nur von Künstlern und er lässt sehr viel Spielraum), Friends with Benefits (Man ist nicht befreundet und hat Sex. Man hat Sex und keine Definition für den Rest.), Techtelmechtel (klingt nach Sex im Heu), wie dehnbar ist eigentlich die Definition von One-Night-Stand?
Gleichzeitig muss man für sich selber ja auch einen Begriff für den Zustand (hört sich nach Schwangerschaft an) finden. Ist man noch Single, reserviert, ein Date, eine Muse, ein Mingle (halb Beziehung, halb Single)…u.s.w. Was darf man, was nicht mehr, was soll man, was nicht…
Eva Illouz versucht es mit "Girl-friendy Type Persons" (GTP), für Frauen, die mehr als ein Techtelmechtel sind, aber noch nicht als Freundin eingestuft werden können. Klingt wunderbar, so technisch. Nicht GPS, sondern GTP. Das eine weißt den Weg, das andere ist ein anderes Wort für Niemandsland, wo einen das GPS im besten Fall nicht hinführen sollte.

Die Liebe ist ein (Definitions-)Krieg und die Männer sitzen am längeren Hebel, weil sie es schaffen, ihre Bindungsangst als Freiheitsstreben zu verkaufen. Ich finde die Vorstellung zusammen mit Gerald Matt, mit "Vom Kriege" unterm Arm, durch eine (Kunst-)Halle zu laufen und "Ich bin im Krieg! Und ich werde ihn gewinnen!" zu schreien, langsam immer attraktiver. Schließlich können wir das doch alle von uns behaupten. 
Wohin, mein Herr, wollen Sie mit mir gehen?

Lesestoff: Warum Liebe weh tut. Eine soziologische Erklärung. Eva Illouz, Suhrkamp 2011
Zitat: "Gerald Matt. Dandy und Despot", Die Zeit