Ich bin nicht einer von denen! – oder: Vergebene Männer Teil II

"Was auch immer ich bislang als ganz wahr angenommen habe, habe ich entweder von den Sinnen oder durch Vermittlung der Sinne empfangen. Diese habe ich aber immer wieder bei Täuschungen ertappt, und es ist ein Gebot der Klugheit, niemals denen ganz zu vertrauen, die uns auch nur einmal getäuscht haben."*

Küssen verboten!
Es gab leichte Unruhen in der Kolonie der vergebenen Männer. Ich weiß nicht wie es Ihnen geht, aber im Monat kommt man auf ein bis zwei Exemplare und da sammelt sich über die Jahre doch einiges an. Man sah sich gezwungen, sich selbst in besseres Licht zu setzen.
Überrascht über die vermehrten Einladungen zu alkoholischen Getränken, langsam auf Wasser umsteigend, kam ich aus dem Staunen ja nicht mehr heraus. Ich dürfte doch nicht, ich solle nicht, ich würde doch, es wäre nicht, man wüsste doch, ich sei ganz sicher nicht, es sei gemein, ich sei gemein, man fühle sich, man verstehe ja, aber ich sei auch, außerdem Schubladendenken und überhaupt: Alles ist ganz anders!

Ich werfe ganz unkommetiert den Gedanken in den digitalen Raum, dass wohl eine Reaktion genug Eingeständnis ist und der wahre Kern nicht ganz verfehlt. Wie sollte er auch? Für erdachte Stories bietet sich von Gala über Österreich bis Sun ein weites Spektrum an Spekulationsjournalismus, aber hier schreiben Sie ja alle brav mit an den Geschichten.

Ganz nebenbei, ich werde häufig sogar den Partnerinnen vorgestellt – Mami schau, mein neues Spielzeug – wenn sie cool sind, reagieren sie gelassen und stimmen in den Chor mit ein: Eine wirklich wunderschöne Frau. Ich bin ganz begeistert! An dieser Stelle sehe ich mich dann völlig zum Museumsstück degradiert – genießen die Herrschaften die Aussicht, ja? Ich hoffe nicht, dass Sie nun von mir erwarten, dass ich mich für Sie ausziehe oder eine Szene mache – versehen mit dem Hinweis aus Kuratorenhand: Titel: Personifizierte Gefahr; Material: Plastik; Entstehungsdatum: unbekannt; Leihgabe.

Aber meine Herren, ich mag Sie. Alle. Wirklich. Nur, genauso wie Sie, eben nicht exklusiv – und ich weiß, eigentlich sind Sie ganz anders, nur kommen Sie so selten dazu.
Ich schieße nicht auf Tiere in Gefangenschaft, ich komme aber ab und zu an einem Sonntag vorbei, mit einem Büschel Löwenzahn und spreche gut zu – der Käfig ist doch ganz schön, meiner wäre auch nicht viel schöner. Außerdem sieht aus dem Gefängnisfenster alles ganz verlockend aus... und hüpfe etwas wehmütig zurück in die Freiheit, auf der Suche nach einem, den man mal lieben darf.


Nachlesen – der Stein des Anstoßes – Teil I: "Zwischen Wichsvorlage und Therapeutin – oder: Frischzellenkur". Lesen
*René Descartes